Geschichte

© KSW /Silke Briel

Das barocke Gutshaus Wiepersdorf wurde um 1735 erbaut und gehörte seit 1780 der Familie von Arnim. Seine heutige Gestalt und vor allem die Gartenanlage geht wesentlich auf den Maler Achim von Arnim-Bärwalde zurück, einen Enkel von Bettina und Achim von Arnim. Er verlieh dem Gutshaus seinen schlossartigen Charakter und erwarb auf mehreren Italienreisen Statuen und Vasen für den Park. An der Nordseite des Hauses 1877 ließ er sein geräumiges Atelier anbauen, dessen bemalte Decken und Türen noch heute im Museum des Schlosses besichtigt werden können.

In den 1880er Jahren hat Arnim-Bärwalde die Westseite des Hauses mit einem dreiachsigen Risalit (Vorsprung) ergänzt. Der schmale Balkon ruht auf vier Säulen, darüber streben vier Pilaster (pfeilerartiges Formelement) zum überwölbenden Giebel. Der schlichte barocke Baukörper erhielt damit eine fein komponierte Prägung im Stil des Übergangs vom Barock zum Klassizismus. Der tiefer gelegte Park spiegelt die in europäischen Schlossanlagen verbreitete französische Schule wider. Die Parkanlage zeichnet sich durch geometrisch angeordnete Blumenrabatten, durch die Sichtachse vom Gartensaal zur entfernten westseitigen Grenze des Parks und durch in Italien erworbene Vasen und Skulpturen der griechisch-römischen Sagenwelt aus. An der Südwestseite ließ Arnim-Bärwalde eine geräumige Orangerie bauen. Die Fassade der mittelalterlichen Gutskirche wurde im romanischen Stil umgestaltet. Hier liegen die Gräber Bettina und Achim von Arnims sowie einiger Nachfahren.

Bettina und Achim von Arnim

Joachim („Achim“) Ludwig von Arnim kam am 26. Januar 1781 in Berlin zur Welt und wuchs im Stadtpalais seiner Großmutter Caroline von Labes am heutigen Pariser Platz auf. Er wurde von einem Hofmeister erzogen, besuchte das Joachimsthaler Gymnasium in Berlin und studierte Jura und Mathematik in Halle und Göttingen. Unter dem Einfluss von Clemens Brentano wandte er sich schließlich dem „Lichte der Dichtung“ zu. Zusammen begannen sie ab 1805 die mit eigenen Dichtungen angereicherte Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ zu veröffentlichen, die sie bekannt machte.

Elisabeth („Bettina“) Catharina Ludovica Magdalene Brentano wurde am 4. April 1785 als Tochter des vom Comer See stammenden Handelskaufmanns Pietro Antonio Brentano und seiner Frau Maximiliane von La Roche im Haus zum Goldener Kopf in Frankfurt am Main geboren. Zunächst im Pensionat der Ursulinen in Fritzlar erzogen, kam sie nach dem Tod ihres Vaters 1797 zu ihrer Großmutter, der Schriftstellerin Sophie La Roche, nach Offenbach. Ausgestattet mit einem ansehnlichen Vermögen, das die älteren Brüder für sie verwalteten, suchte sie sich jedoch früh eigene Wege. Sie zeichnete, schrieb und musizierte. 1802 lernte sie durch ihren Bruder Clemens Brentano Achim von Arnim kennen, der ihr 1810 einen Heiratsantrag machte. Es gäbe „niemand auf der Welt“, so schrieb er Bettina, mit der er sich „so gern erfreut, gestritten, gewacht und geschlafen hätte“.

1811 heirateten Bettina und Achim von Arnim in Berlin. 1814 zogen sie nach Wiepersdorf , einem Landgut der von Arnims. Achim hoffte, sich seiner „Arnimsarmut“ zu entledigen, indem er das Gut selbst bewirtschaftete, um seine Familie zu ernähren. Während Bettina bald nach Berlin zurückkehrte, blieb Achim nach 1814 durchgängig in Wiepersdorf. Neben dem Schreiben befasste er sich intensiv mit der Landwirtschaft. In Wiepersdorf entstand sein unvollendetes Hauptwerk „Die Kronenwächter“, dessen erster Band 1817 erschien.

War für Achim der Abstand zur preußischen Hauptstadt produktiv, lebte Bettina lieber in der Stadt. Es entstand eine „Fernbeziehung“, die in einem interessanten Briefkonvolut der Romantik resultierte. Bis zu Achims Tod im Jahr 1831 wechselte das Paar hunderte von Briefen, in der ihre Liebe und die zahllosen Herausforderungen des Alltags in Wiepersdorf und Berlin thematisiert wurden.

Nachdem Bettina von Arnim sich zunächst der Herausgabe von Achims zahlreichen Werken gewidmet hatte, begann sie selbst erst spät mit der Schriftstellerei. 1835 erschien ihr Buch „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde“, das zu einem viel diskutierten internationalen Erfolg wurde. 1840 folgte der Briefroman „Die Günderode“, der ihrer Jugendfreundin Karoline von Günderode ein Denkmal setzte. Daneben engagierte sich Bettina von Arnim für die Rechte unterdrückter Minderheiten in Polen und Ungarn und betrieb erfolgreich die Berufung der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm an die Universität Berlin. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, dem „Romantiker auf dem Thron“, widmete sie ihr „Königsbuch“, in dem sie soziale Reformen einklagte. In ihrem „demokratischen Salon“ in Berlin wurden im Vormärz derart unkonventionelle Ansichten ausgetauscht, dass ihre beiden am Hofe verkehrenden Töchter Maximiliane und Armgart einen „aristokratischen Gegensalon“ eröffneten. In späteren Jahren zog es die urbane Bettina immer häufiger nach Wiepersdorf. „Diese treffliche Einsamkeit macht mich glücklich“, schrieb sie 1849 an ihre Schwester. Nach ihrem Tod 1859 wurde sie neben ihrem Mann auf dem Friedhof von Wiepersdorf beerdigt.

Die Zeit nach 1945

Am 22. April 1945 besetzte die Rote Armee Schloss Wiepersdorf. Die Mutter von Friedmund von Arnim, dem letzten privaten Eigentümer von Wiepersdorf, Agnes, geb. von Baumbach, musste mit ihren drei Töchtern Wiepersdorf verlassen. Unter ihnen war auch Friedmunds Schwester Bettina Encke von Arnim. Die Malerin bewahrte das Haus vor drohender Zerstörung. Sie setzte die Gründung eines Dichterheims durch, um das literarische und künstlerische Erbe in Wiepersdorf zu erhalten und fortzuführen. Unterstützung erhielt sie dabei vom ehemaligen kommunistischen jüdischen Reichstagsabgeordneten Iwan Katz, der nach dem Krieg Mitglied des Berliner Magistrats geworden war. Während des Nationalsozialismus hatten Friedmund von Arnim und die Enckes ihm Schutz vor Verfolgung gewährt.

Schon am 16. Juli 1946 wurde in Potsdam die Dichterstiftung e.V. gegründet, die das Anwesen in Wiepersdorf als Eigentum erhielt. Die Familie von Arnim siedelte aus Zernikow und Wiepersdorf in den Westen über. Am 1. April 1953 übernahm der Deutsche Schriftstellerverband aufgrund einer Verordnung des DDR-Ministerrats das Haus, das bei Schriftstellerinnen und Schriftstellern sehr beliebt war. Allerdings war es nicht für alle zugänglich. Ein Aufenthalt bedurfte der Erlaubnis einer der staatlichen kulturellen Organisationen.

Am 4. April 1965, dem 180. Geburtstag Bettina von Arnims, wurde das Haus in „Bettina von Arnim-Heim“ umbenannt. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten erhielt 1979 der Kulturfonds der DDR die neue Rechtsträgerschaft über die Liegenschaft. Am 10. Mai 1980 eröffnete Kulturminister Dr. Hans-Joachim Hoffmann das Schloss als „Arbeits- und Erholungsstätte für Schriftsteller und Künstler Bettina von Arnim“.

Wiepersdorf nach der Wiedervereinigung

Nach der Wiedervereinigung übernahm 1990 die „Stiftung Kulturfonds“ Schloss Wiepersdorf. Sie war aus dem Kulturfonds der DDR hervorgegangen. Nach erneuten Renovierungsarbeiten wurde das Haus am 7. August 1992 als „Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf“ eröffnet. 2004 wurde die „Stiftung Kulturfonds“ liquidiert und das Künstlerhaus vorübergehend geschlossen.

2006 erfolgte unter der Trägerschaft der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Wiedereröffnung des denkmalgeschützten Anwesens. Mehr als zwölf Jahre lang förderte, sanierte und pflegte die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit großem Engagement das Denkmalensemble in Wiepersdorf. Darüber hinaus war die Deutsche Stiftung Denkmalschutz während dieser Zeit auch für den Betrieb des Künstlerhauses verantwortlich.
Im Juli 2019 gründete das Land Brandenburg die öffentlich-rechtliche Kulturstiftung Schloss Wiepersdorf. Die Kulturstiftung erhält vom Land Brandenburg jährliche Zuwendungen. Zweck der Stiftung ist der Betrieb des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf zur Förderung von Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie die Pflege von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Die Kulturstiftung hat die Aufgabe, die kulturelle Tradition von Schloss Wiepersdorf als Künstlerhaus und historischen Ort der Epoche der Romantik zu bewahren und fortzuführen. Dazu gewährt sie insbesondere Künstlerinnen und Künstlern Arbeits- und Aufenthaltsstipendien verbunden mit der Möglichkeit zu interdisziplinärem, überregionalem und internationalem Austausch.

Text: Olivia Franke und Janika Gelinek